
An einem lauen, aber grauen Montagabend im Mai öffnen wir auf dem Balkon ein Bier, das im Regal durch sein modernes Etikett sofort ins Auge fällt: Oberbräu Hell. Gebraut wird es von der König Ludwig Schlossbrauerei Kaltenberg, vertrieben von der Warsteiner Gruppe – und damit Teil eines größeren Plans: Mit diesem Hellen will Warsteiner ein Stück vom wachsenden Hellbiermarkt abhaben.
Hintergrund zur Marke: Von Folklore zur Gams
Die Marke Oberbräu wurde ursprünglich mit stark bayerischer Folklore aufgeladen – weiß-blaue Rauten, Trachtenpärchen, Kapelle. Doch bereits zwei Jahre nach dem Launch folgte das Rebranding: Weg vom klassischen Bayern-Kitsch, hin zur stilisierten Gams als Symbol für Aufbruch und Abenteuer. Man richtet sich an ein jüngeres, urbanes Publikum – jung, gesellig, vielleicht auch ein bisschen hip.
Aber kann das Bier auch geschmacklich mit seiner neuen Optik mithalten?
Verkostungsnotizen
Aussehen:
Im Glas zeigt sich das Oberbräu Hell in einem klaren Goldton mit voluminöser, feinporiger Schaumkrone. Diese baut sich schnell auf, fällt jedoch ebenso zügig in sich zusammen. Immerhin bleibt etwas Schaum am Glasrand haften – optisch durchaus ansprechend.
Geruch:
In der Nase dominieren milde Malznoten, dazu kommen leicht würzige Aromen und ein Hauch Weißbrot. Auch eine gewisse Grasigkeit lässt sich erahnen – insgesamt typisch für ein Helles, wenn auch nicht besonders ausdrucksstark. Leider konnte ich auch eine deutlich metallische Note feststellen die für mich unangenehm war.
Antrunk & Geschmack:
Der erste Schluck überrascht positiv: weiches Wasser, angenehm mild, eine leichte Malzsüße – ein klassischer Einstieg für ein bayerisches Helles. Das Weißbrot aus der Nase findet sich am Gaumen wieder. Leider bleibt die Kohlensäure etwas zurückhaltend, was das Mundgefühl etwas flach wirken lässt. Auch hier ein leicht oxidierter Geschmack.
Körper:
Sehr schlank, fast schon zu dünn. Wer kräftigere, kernigere Helle mag, wird hier wenig Freude haben. Eine dezente, metallische Note schleicht sich im Mittelteil ein – vermutlich vom eingesetzten Hopfenextrakt, auch wenn zusätzlich echte Hopfenpellets verwendet werden.
Abgang:
Hier zeigt sich die größte Schwäche: Der Geschmack flacht ab, kaum Bittere, keine Frische – der Abgang wirkt fast fehlerhaft, mit einem leicht oxidierten Touch. Insgesamt wirkt das Bier nicht besonders stabil und sollte eher zügig getrunken werden.
Fazit: Helles mit schönem Äußeren, aber wenig Tiefe
Das Oberbräu Hell versucht, optisch modern zu wirken und den klassischen „Bayerisches-Helles-in-Euroflasche“-Trend mitzugehen. Geschmacklich bleibt es jedoch im unteren Mittelfeld hängen. Die Brauerei hat versucht, die goldene Mitte zu treffen – und trifft damit leider wenig: Keine Tiefe, keine Spannung, keine Handschrift. Negativ aufgefallen sind mir die metallische Noten und der leicht oxidierte Geschmack.
Für ein Helles aus einem großen Konzern ist es in Ordnung, aber eben auch austauschbar. Kein Bier, das hängen bleibt.